Datenschutz

2. Big Data

2.2. Risiken von Big Data

Hauptkritikpunkt an der Datensammlung und -auswertung durch Unternehmen, Vereinen und staatliche Institutionen ist die damit verbundene, intransparente Analyse des Verhaltens der Nutzerinnen und Nutzer. Damit wollen Unternehmen mehr über das Kaufverhalten ihrer Kunden erfahren, um den Service zu verbessern. Darüber hinaus werden diese Verfahren dafür eingesetzt, abweichendes Verhalten im Vergleich zu einer definierten "Normalität" zu erkennen oder vorherzusagen. Das ganze basiert auf dem Prinzip der Algorithmen.

Bedenklich ist dabei, dass die Vorhersagen der Systeme auf Korrelation beruhen, d.h. auf beobachteten Daten, die in einer Beziehung zueinander stehen und Muster sowie Zusammenhänge erkennen lassen. Diese Zusammenhänge müssen aber nicht ursächlich sein. Nur weil in einer Region die Geburtenrate parallel zur Rückkehr der Störche steigt, heißt es nicht, dass die Störche der Grund für die Zunahme der Geburten sind.

Das Sammeln von Daten und deren Auswertung tangiert die Nutzerinnen und Nutzer in verschiedenen Lebensbereichen:
(vgl. jfc Medienzentrum e.V. (2015): "BIG DATA - eine Arbeitshilfe für die Jugendarbeit", Seite 10ff.)

  • Gesundheit
    Die Versicherungen warten in den letzten Jahren mit digitalisierten Angeboten für ihre Versicherten auf: die optimale Gesundheitsapp für das Tablet oder Smartphone sowie verschiedene Aktivitäts-Tracker, die Schlaf- und Bewegungsverhalten aufzeichnen. Mit diesen "Wearables" haben die Versicherungen zu jeder Zeit Zugriff auf ihre Klienten. Die Auswertung dieser Daten, kombiniert mit Daten aus der elektronischen Gesundheitskarte und Artzbesuchen, lässt für die Versicherungen interessante Rückschlüsse auf zu erwartende Ausgaben zu.
    Die Konsequenz der Versicherungen daraus ist: Wer nachweislich gesund lebt (Sport treibt, Routeineuntersuchungen beim Arzt wahrnimmt, sich gesund ernährt) bekommt besondere Tarife und Vergünstigungen. Alle anderen, die durch ungesunde Verhaltensweisen anfälliger für Krankheiten sind und damit eine Belastung für das Versicherungssystem darstellen, werden stärker zur Kasse gebeten.
    An seine Grenzen kommt die zu Grunde liegende Logik einer leistungsgerechten Finanzierung, wenn man sich bewusst macht, dass es sich bei den aus Daten abgeleiteten Informationen um Korrelationen und nicht um Kausalzusammenhänge handelt. Mit ihrem Vorgehen schreiben die Versicherungen aber ihren Klienten eine Verantwortlichkeit für ihren Gesundheitszustand zu, für den sie ggf. nichts können, weil sie z.B. genetisch vorbelastet sind oder einen Unfall hatten.

  • Digitale Freizeit
    Viele Nutzerinnen und Nutzer geben bei der Anmeldung oder der Verwendung von Social Media Diensten wie Facebook, Instagram oder Snapchat bewusst Daten über sich Preis. Darüber hinaus erlauben die Anbieter der Social Media Dienste weiteren Unternehmen Zugriff auf Nutzerinformationen, wie z.B. die Aktivitäten der Nutzerinnen und Nutzer, von wo aus sie auf das Netzwerk zugreifen und wie lange der Zugriff dauert. Dabei handelt es sich um sog. "Metadaten", d.h. es geht nicht um den Einzelnen oder die Einzelne, sondern um Personengruppen, die identifiziert und als potentielle neue Kunden- oder Interessensgruppe erschlossen werden. 

  • Politik
    Barack Obama hat es vorgemacht und Donald Trump folgte dem Plan, potentielle Wählerinnen und Wähler durch groß angelegte Datenanalyseverfahren zu identifizieren und Unentschlossene gezielt mit Wahlwerbung zu bespielen. Aus der Kombination verschiedener Daten (Herkunft, angegebene Interessen im Sozialen Netzwerk, Mitgliedschaft in Vereinen, beruflicher Hintergrund usw.) können die Parteien schnell und gezielt potentielle Wählerinnen und Wähler ansprechen. Einen interessanten Einblick über die Möglichkeiten der Auswertung von Social Media Daten gibt ein Interview der taz mit dem Psychologen Michal Kosinski, dem nachgesagt wird, Donald Trump zum Wahlsieg verholfen zu haben. In dem Umfang der Datennutzung wie in den Wahlkämpfen der USA ist dies in Deutschland rechtlich jedoch nicht möglich.

  • Arbeit und Beruf
    In den Debatten rund um Arbeit und Beruf 4.0 geht es um das Vordringen der Digitalisierung in sämtliche Berufsbereiche. Viele Prozesse sind mittlerweile automatisiert, Auszubildende lernen mit 3D-Brillen, wie sie Produkte ihrer Firma bauen und warten können, und Maschinen sammeln Daten, um sich selbst zu optimieren. Aber auch die Jugend- und Sozialarbeit ist von der Digitalsierung erfasst. Digitale Fallakten sowie softwarbasierte Einschätzungsverfahren sind mittlerweile Standard, es wird Onlineberatung angeboten und aufsuchende Sozialarbeit im digitalen Raum betrieben. Das heißt, die pädagogischen Fachkräfte dringen in Dienste und Angebote vor, die auch von Kindern und Jugendlichen genutzt werden und befinden sich somit in diversen Dilemmata: Plötzlich sehen sich die pädagogischen Fachkräfte mit einer Fülle an Informationen über Ihre "Klienten" konfrontiert (Statusmeldungen, gepostete Fotos, gelikte Inhalte, usw.), die ihnen gar nicht aktiv zur Verfügung gestellt werden, sondern die sie erfahren, indem sie die gleichen Social Media Dienste nutzen. Ein Wissen, dass ggf. zu einem ungleich verteilten Machtgefüge führen kann. Darüber hinaus ist die Kommunikation mit Klienten über einen Dienst, der Metadaten sammelt (wie z.B. WhatsApp) im Sinne des Klientenschutzes höchst bedenklich, besonders wenn es um die Kommunikation sensibler Themen und Inhalte geht. Praktische Tipps zum Umgang mit diesen Dilemmata gibt der Datenschutzblog der Caritas.

  • Bildung
    Individualisiertes-, binnendifferenziertes- oder lernerzentriertes Lernen - das sind alles Schlagwörter aus der neuen Bildungsforschung, die mit Hilfer digitaler Bildungsplattformen umgesetzt werden sollen. Diese Plattformen erfassen das Lernverhalten der Lernenden und sollen so adäquate Lernsituationen schaffen, d.h. die "richtigen" Lerninhalte und Methoden passend zum formulierten Lernziel anbieten. Die Problematik aktuell ist dabei, dass diese Plattformen häufig von kommerziellen Unternehmen angeboten, betrieben und gewartet werden. Diese haben dann wiederum Zugriff auf die Daten über die Lernenden.

  • Einkaufen
    Sicher ist Ihnen schon aufgefallen, dass wenn Sie online einkaufen und einen Artikel anklicken, Sie in den nächsten Tagen und Wochen diesen - oder ähnliche - Artikel immer wieder angezeigt bekommen. Das soll Sie zum Kaufen animieren und erfolgt aufgrund der Auswertung Ihres Verhaltens im Onlineshop (was haben Sie angeklickt, wie lange haben Sie auf diesem Produkt verweilt, usw.). Darüber hinaus werden Ihnen Kaufvorschläge generiert.
    Damit nicht genug, sind aus Ihrem Kaufverhalten Rückschlüsse über Ihre aktuelle Lebenssituation möglich. Unternehmen, die Zugriff auf Ihre Daten haben, können dieses Wissen wiederum nutzen. So gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass sich aus dem Kaufverhalten Vorhersagen machen lassen, ob eine Kundin schwanger ist oder nicht und sogar in welchem Monat sie ist. So geschehen in den USA: "Wie eine Supermarktkette in den USA die Schwangerschaft einer Teenagerin noch vor deren Vater entdeckte."


  • Verkehr und Reisen
    Wenn Sie mit dem Flugzeug verreisen und vorher online Ihren Flug buchen, können Sie davon ausgehen, dass Sie auf der internationalen "Passenger Name Record" (PNR)-Liste vermerkt werden, auf der sämtliche Daten von Fluggästen zu finden sind. Einzelnen Länder wie Kanada, die USA oder Neuseeland haben Abkommen untereinander geschlossen, die die Weitergabe von Fahrgastinformationen regeln, und dabei geht es nicht nur um die Namen und Adresse der Gäste. Vielmehr werden alle ihre bisherigen Flüge mit Flugklasse, Ihre Kreditkartennummer, deren Gültigkeit und sogar welches Essen Sie im Flugzeug verzehrt haben erfasst. Das muss alles nicht problematisch sein, wenn nicht aus der Sammlung Ihrer Daten Rückschlüsse auf Sie als Person gezogen werden, die Sie in eine bestimmte Personengruppe zuweisen, der Sie ggf. nicht angehören. Das kann schon bei der Bestellung Ihrer Speisen beginnen: Bestellen Sie vegetarisch oder nicht vegetarisch, verzichten Sie auf Schweinefleisch usw. Aktuell wurde der Austausch von Fluggastdaten zwischen der EU und Kanada gestoppt, weil es erhebliche Verstöße gegen das europäische Datenrecht gibt. Die Verhandlungen über ein neues Abkommen laufen jedoch weiter.

  • Zuhause

    Das "Internet der Dinge" bietet dem Nutzer oder der Nutzerin einen besonderen Service: Über Sprachsteuerung kann der Kaffee gebrüht werden, während man selbst noch im Bett liegt oder die Heizung wird per App von unterwegs angesteuert und aktiviert, die Spielzeugpuppe beantwortet dem Kleinkind alle Fragen, die es hat, und der digitale Kartendienstes kann Stauentwicklungen live melden. All diese Momente der Gerätekommunikation erzeugen ganz automatisch Daten, die erfasst, gespeichert und ausgewertet werden.
    "Hinter den werbegetriebenen Produkten und Dienstleistungen – also hinter jeder App, die wir nutzen, hinter jedem personalisierten Streaming-Anbieter – steckt ein hochkomplexes und undurchsichtiges Ökosystem aus Unternehmen, von denen die meisten Menschen noch nie etwas gehört haben." (Frederike Kaltheuner)